© 2017 by Jonas Seufert

Beobachten, recherchieren, Redaktionskonferenz. Telefonieren, ordnen, schnelle Mittagspause. Schreiben, redigieren, publizieren. Feierabend. Einkaufen, Kinder holen, Hausaufgaben kontrollieren. Essen kochen, Kinder ins Bett bringen. Freunde treffen. Duschen. Schlafen.

 

Von vorne.

Journalisten sind Redakteure, Textchefinnen, Väter, Mütter, Freunde, Geliebte. An einem einzigen Tag nehmen wir unzählige Rollen ein – ob wir wollen oder nicht. Wir müssen nicht nur die Besten sein, sondern auch die Schnellsten. Wir müssen nicht nur die Schnellsten sein, sondern auch die Genausten. Wir müssen nicht nur die Genausten sein, sondern auch die Einzigen. Unsere Leben sind auf Maximierung ausgerichtet – beruflich und privat.

Karriere und Familie stehen deshalb in ständiger Konkurrenz zueinander. Je häufiger wir den Kindern bei den Hausaufgaben helfen, desto seltener dürfen wir uns im Beruf an die spannenden Aufgaben wagen. Das ist zwar logisch. Aber nicht gerecht.

Kinder gegen Karriere aufzuwiegen kann nicht gerecht sein

Gleichberechtigung in Deutschland funktioniert bis der Schwangerschaftstest „positiv“ zeigt. Plötzlich werden traditionelle Rollenbilder aus Mottenkisten hervorgekramt, die überraschend sorgfältig im Keller aufbewahrt wurden. Paare, die diesem Muster nicht folgen, die einfach die Rollen tauschen, werden mit Misstrauen beäugt. Deshalb gibt es

Wir brauchen ein neues Verhältnis zur Arbeit. Wie wäre es mit einem Sechs-Stunden-Tag? Das würde auch in puncto Gleichberechtigung helfen.

Gleichberechtigung in Deutschland funktioniert bis der Schwangerschafts-

test "positiv" zeigt.

genauso wenige Chefredakteurinnen, wie Vollzeit-Papas. Eine Entscheidung für Kinder ist noch immer häufig eine Entscheidung gegen Karriere. Für Eltern, die beides wollen, wird diese Entscheidung zur Zerreißprobe.

Dieses Gefühl kennen Männer, die gerne in Elternzeit gehen würden, aber Angst vor den beruflichen Konsequenzen haben. Dieses Gefühl kennen Frauen, die gerne arbeiten würden, aber fürchten, plötzlich eine „Rabenmutter“ zu sein. Dieses Gefühl kennen Paare, die Spaß in ihren

In Teilzeit zu arbeiten heißt nicht automatisch halb so gut zu arbeiten.

Zerreißprobe. Sicherlich, bis Männer und Frauen Arbeitszeit verringern können, ist es ein weiter Weg. Dafür braucht es nicht nur Mut, sondern auch die Akzeptanz vom Chef, die Unterstützung von Freunden – und am Ende muss auch genug Geld übrig bleiben.

 

Aber auf diese Weise könnten nicht nur Beruf und Familie eben so viel Zeit wie Aufmerk-samkeit für sich beanspruchen, auch Männer und Frauen hätten die Chance gleichberechtigt Familie und Arbeit zu leben. Und davon würden letztlich alle profitieren - der Chef, die Kinder und wir.

Jobs haben, aber die ersten Schritte ihrer Kinder nicht verpassen wollen. Und dieses Gefühl kennen auch die Kinder, die den Stress ihrer Eltern spüren.

Wo bleibt die Gleichberechtigung zwischen Familie und der Karriere?

Flexible Arbeitszeiten und Home Office ändern nichts daran, dass Eltern auf dem Arbeitsmarkt ständig abrufbar sein müssen. Mails versenden, während der Baby-Brei köchelt und telefonieren, während ein trotziges Kleinkind einen Schreianfall bekommt. Hier

erleben Eltern nicht „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sondern Frust. Der schleichende Übergang von Arbeit hinein in die Familie führt lediglich dazu, dass beide Bereiche zu kurz kommen.

Wir sollten anfangen Arbeit mit anderen Augen zu sehen. In Teilzeit zu arbeiten, heißt nicht automatisch, halb so gut zu arbeiten. Sechs Stunden im Büro voller Konzentration sind mehr wert als zehn Stunden

© Ulrich Schmidt

KOMMENTAR

Kind statt Karriere statt Kind